2.2 Die ‘gentrification’ Oberbilks

Mit diesem größten Düsseldorfer Bauvorhaben der achtziger Jahre, das etwa eine Milliarde DM verschlingt [921], ist die Idee verbunden, die Innenstadt nach Osten hin, Richtung Oberbilk, zu öffnen. “ Bis dahin war dieses älteste und bekannteste Industrie- und Arbeiterviertel Düsseldorfs durch die Bahntrasse von der Innenstadt so gut wie abgeschlossen. Dies war kein Zufall, sondern eher Programm: Düsseldorf hat sich schon in der Industrialisierungsphase nicht als Industriestadt verstehen wollen. [922] Die ‘Abgeschiedenheit’ Oberbilks hatte bislang zur Folge, daß es ‘hinter den Gleisen’ fast ausschließlich billige Altbauwohnungen gibt. Nun wirkt hier der neue Bahnhof mit seiner Ost-Öffnung wie ein Magnet auf Handels- und Verwaltungsbetriebe. Neue Ansiedlungen von Unternehmen werden durch weitergehende städtische Planungen, wie dem Internationalen Handelszentrum (IHZ) [923], gefördert.
Für die ‘Ost-Öffnung’ werden 82 Wohneinheiten abgerissen [924] und etliche ArbeiterInnenwohnungen zugunsten zahlungskräftiger Angestellter modernisiert. Oberbilk wird das neue Betätigungsfeld von SpekulantInnen.
Das scheint auch notwendig zu sein, denn im Mai 1981 wird das STEP-U offiziell für gescheitert erklärt. [925] Ausgesprochen selbstkritisch gesteht Planungsamtsleiter Kurt Schmidt ein, daß insbesondere bei der BürgerInnenbeteiligung Fehler gemacht wurden. Als einen gravierenden Fehler bezeichnet er, daß “ durch die vielen betont ‘schön’ gestalteten Pläne (...) private Investoren auf den Stadtteil gerade aufmerksam gemacht wurden. [926]
Das Ende des STEP-U bedeutet jedoch nicht das Ende der Stadtteilentwicklungsprogramme. Bereits ein Jahr später beginnt eine ähnliche ‘Stadtteilaufwertung’ unter dem Planungstitel ‘Gebietsbezogenes Programm wohnumfeldverbessernder Maßnahmen’ für die südliche Innenstadt. Die Fehler des STEP-U, besonders bezüglich der BürgerInnenbeteiligung, sollen sich nicht wiederholen. Am 28. Oktober 1982 beschließt der Stadtrat “ dem gebietsbezogenen Programm wohnumfeldverbessernder Maßnahmen grundsätzlich zuzustimmen. [927] Mit diesem Beschluß stellt er “ die Weichen für umfangreiche Planungs- und Baumaßnahmen in den aus der Gründerzeit stammenden Stadtteilen südlich der Innenstadt (Oberbilk, Friedrichstadt und Unterbilk) sowie den an den Südpark nach Wersten angrenzenden Gebieten und der neuen Siedlung Wersten West. [928]
In seiner Laudatio über die abgeschlossenen Baumaßnahmen beschreibt das Planungsamt 1992 die BürgerInnenbeteiligung folgendermaßen: “ Während der Planungs- und Ausführungsphase wurde mit der geschilderten Öffentlichkeitsbeteiligung versucht, aufkommende Probleme mit Bürgern frühzeitig und direkt zu erörtern und gegebenenfalls auch durch Umplanungen für schnelle Abhilfe zu sorgen. Eine Vielzahl von Bürgerwünschen und Anregungen konnte so planerisch berücksichtigt und häufig auch realisiert werden. (...) Man kann davon ausgehen, daß die Bürger die Straßenraumgestaltung vor ihrer Haustür positiv angenommen haben. [929]
Daß die BürgerInnenbeteiligung nicht so positiv und frühzeitig war, wie sie von der Stadt beschrieben wird, zeigt sich während einer BürgerInnenanhörung zum IHZ im Jahre 1990, auf der ein empörter Anwohner das Planungsmodell zertrümmert und “ Bau- und Planungsdezernent Dr. Hans Küppers (...) mehrfach von aufgebrachten Bürgern niedergeschrien [wurde], die sich über den geplanten Abriß von 199 Wohneinheiten an der Kölner- und Eintrachtstraße empörten. [930]
Ende der achtziger Jahre wird die Stadt Düsseldorf mehrfach für ihre “ Beispiele zur Veranschaulichung naturräumlicher Zusammenhänge, zur Verbesserung der Stadtgestalt und (...) städtebauliche Leistungen in Oberbilk und Wersten [931] ausgezeichnet.
Das Planungsamt schreibt anmerkend dazu, daß die “Verbesserung des Stadtbildes und private Investitionen an der Wohnsubstanz (...) unstrittig Verbesserungen der Wohnqualität in den einzelnen Stadtteilen bewirkt [haben]. Insbesondere in Straßenabschnitten, in denen Anliegerbeiträge erhoben werden mußten, wurden allerdings auch Mieterhöhungen bekannt. Das hat zu Befürchtungen geführt, nach dem Abschluß von Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen würde ein Verdrängungsprozeß der in den Wohnquartieren ansässigen älteren Menschen und Familien mit Kindern erfolgen. Der Ergebnisbericht einer verwaltungsinternen Untersuchung aus dem Jahre 1989, die die sozialen Folgen von Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung in Oberbilk untersuchte, konnte diese Vermutung jedoch nicht bestätigen. [932]
Daß diese Untersuchungen falsch sind, oder gezielt falsch erstellt wurden, darüber können auch die ‘Sonntagsreden’ der StadtplanerInnen nicht hinwegtäuschen. Die neueste in Oberbilk durchgeführte Untersuchung [933] zeigt, daß die gewachsene Sozialstruktur des Stadtteils zerfällt. [934]Wo zuvor Gastarbeiter, Arbeitslose, Sozialhilfe-Empfänger und junge Menschen in der Ausbildung eine Chance hatten, kommen Leute mit anderem Lebensstil und anderen Konsumeigenschaften. Diese ‘neuen Städter’ finden die innenstadtnahen Wohnungen plötzlich interessant, lieben einen anderen Lebensstil, neue Kneipen und kulturelle Einrichtungen. [935] Doch nicht nur in Oberbilk ist diese Veränderung zu beobachten. In allen von den Planungen betroffenen Stadtteilen vollzieht sich eine ‘gentrification’, also ein “ qualitativer Bevölkerungsaustausch, Vertreibung von angestammter BewohnerInnenschaft aus einem City-Randgebiet zugunsten von Konzernverwaltungen, Fotostudios, Werbeagenturen usw.; Umwandlung von Wohnraum in Eigentumswohnungen für Film-Yuppies und erste Adressen für kreative Dienstleistungen. [936]


[921] Alleine für die Stahlplastiken von Horst Antes, der sich weigert ihren Inhalt zu deuten, zahlt die Stadt schulterzuckend 2 Millionen Mark, vgl. ebenda, S. 119 ff.
[922] Ebenda, S. 217.
[923] Vgl. C. IV. 2.6 (Das Internationale Handelszentrum (IHZ)).
[924] Sitzungsbericht des APS vom 6.12.90 , S. 6.
[925] RP, 9.5.81.
[926] Planungsamtsleiter Schmidt, in: RP, 9.5.81.
[927] Landeshauptstadt Düsseldorf, Beiträge zur Stadtplanung und Stadtentwicklung, Nr. 5,
S. 10.
[928] Ebenda, S. 10.
[929] Ebenda, S. 70ff.
[930] RP, 27.4.90.
[931] Landeshauptstadt Düsseldorf, Beiträge zur Stadtplanung und Stadtentwicklung, Nr. 5,
S. 70 ff.
[932] Ebenda, S. 87.
[933] Bei einer Untersuchung von 355 Oberbilker Haushalten stellt Dr. Martina Fuchs vom Geographischen Institut der Heinrich-Heine-Universität fest, daß 13% der Wohnungen ‘Pioniere’ (18- bis 35 jährige mit einem Netto-Einkommen von höchstens 2.500 Mark, meist unverheiratet, mit Abitur) und 7,3% ‘Gentrifiers’ (26- bis 45 jährige mit einem Netto-Einkommen über 2.500 Mark, leben in Ein- bis Zwei-Personen-Haushalten) bewohnen, vgl. WZ, 26.10.95.
[934] Achten, U. (Hrsg.), Düsseldorf zu Fuß, S.219ff.
[935] WZ, 26.10.95.
[936]Die hübsch begrünten, endlich verkehrsberuhigten Straßen sind auch wirklich ‘ruhig’, aber da, wo jetzt Kinder spielen könnten, ohne Angst überfahren zu werden, wohnen heute ‘Dinkis’ Double income, no kids - gut verdienende Paare, ohne Kinder ”, Terz, 4/92,
S. 26 ff.


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