3. Politische Aktionen gegen Wohnungsnot und Umstrukturierung in Düsseldorf

 

3.1 Die Geschichte der Aktion Wohnungsnot e.V. (AWN)

3.1.1 Die Besetzung der Kronprinzenstr. 113 und Vorgeschichte

Die Geschichte der Düsseldorfer Hausbesetzungen beginnt im Gegensatz zu den Darstellungen in den wenigen zu diesem Thema vorhandenen Publikationen nicht erst mit der Besetzung des Hauses Kronprinzenstr. 113. So berichtet die Rheinische Post bereits am 20. Juli 1970 von einer “sozialkritischen” Ausstellung, in der sowohl Photos von Protesten gegen die Erhöhung von Sozialmieten in Garath wie auch von der “‘Besetzung’ des Hauses Buchholz u.a. Gebäude ” zu sehen sind. Und am 30. September 1970 ist in derselben Zeitung unter der Überschrift “Aufgeschreckte Mieter wollen jetzt auf die Straße gehen” zu lesen: “Auch in Frankfurt und Düsseldorf gab es Applaus, als Studenten leerstehende Häuser besetzten. Parole in Düsseldorf: ‘Dieses Haus steht leer. Wir brauchen es .’” Auch in Gesprächen mit ZeitzeugInnen ist von mehreren Besetzungen in den Jahren 1968-70, etwa in der Herzogstraße oder in Golzheim in der Nähe des Reeser Platzes, die Rede. [641] Dabei scheinen vor allem StudentInnen der Kunstakademie eine große Rolle gespielt zu haben. Allerdings konnten von uns keine exakten Daten über Besetzungen in dieser Zeit ermittelt werden. [642]
Bekannt sind jedoch etliche Proteste von MieterInnen(Initiativen), die sich gegen drastische Mieterhöhungen zu Wehr setzen. Bereits zum 1. Mai 1968 waren die Mieten in städtischen Altbauten um 20 bis 25 Prozent und am 1. Januar 1969 dann nochmals um 10 bis 40 Prozent erhöht worden. [643] Im Oktober 1970 veranstaltet die ‘Mieter-Solidarität Düsseldorf’ zahlreiche Kundgebungen, unter anderem vor dem Schauspielhaus, malt Wandzeitungen und prangert in Lautsprecherdurchsagen Düsseldorfer HausbesitzerInnen an, “Gastarbeiter unzulänglich untergebracht und Geschäfte mit der Not gemacht zu haben .”[644] Aus Pappe, Latten und buntbemalten Zelten wird unter dem Motto ‘Baut euch eure Häuser selber’ für acht Tage eine Mini-Stadt errichtet. Bei dieser Aktion gegen Wohnungsnot werden fast 20.000 Unterschriften von sympathisierenden Düsseldorfer BürgerInnen gesammelt.
Mit ständig steigenden Studierendenzahlen dringt auch das Problem der studentischen Wohnungsnot immer mehr an die Öffentlichkeit. In dieser Situation bildet sich 1970 an Universität und FH eine ‘Aktionsgruppe Studentische Wohnungsnot’, die in Verhandlungen mit der Stadt zunächst die Übergabe des städtischen Hauses Neusser Str. 65 erreichen kann. [645] Danach aber blockt die Stadt alle weiteren Forderungen nach Wohnungen für die mindestens 500 wohnungslosen StudentInnen in Düsseldorf ab. [646] Es kommt zu ersten Demonstrationen und Kundgebungen - so z.B. am 25. Januar 1971 bei einer Aktion vor einem seit zehn Jahren leerstehenden Privathaus am Mörsenbroicher Weg. Anläßlich der Demonstration äußert sich auch der Vorsitzende des Studentenwerks, Helmut Weber: “Eigentum im Sozialstaat verpflichtet. Was nicht gebraucht wird, sollte den sozial Schwächeren zur Verfügung gestellt werden .”[647] Zu diesem Zeitpunkt versuchen die StudentInnen noch, ihre Ziele auf legalem Weg zu erreichen. “‘Häuser besetzen wollen wir erst, wenn’s gar nicht mehr anders geht’, versichert die Aktionsgruppe ”.[648]
Ein Jahr später scheint es schließlich nicht mehr anders zu gehen. Am 09. Mai 1972 wird das Haus Kronprinzenstr. 113 in Bilk besetzt. Die AkteurInnen - 20 StudentInnen von Kunstakademie, FH und Universität [649] mit Unterstützung durch die Asten der Hochschulen (vor allem der Kunstakademie und der Universität) [650] sowie durch SDAJ [651] und Jusos [652] - hatten zuvor eine Liste mit über 50 leerstehenden Häusern, darunter etliche im Besitz der Stadt, erstellt. Auch das Haus Kronprinzenstr. 113 - vom städtischen Liegenschaftsamt als Abbruchhaus gekauft - steht zu diesem Zeitpunkt bereits seit mindestens dreieinhalb Jahren leer [653]. Die Stadt plant, das Haus für die Erweiterung einer angrenzenden Schule abzureißen.
Unmittelbar nach der Besetzung werden in der NachbarInnenschaft und im gesamten Stadtgebiet über 8.000 Flugblätter verteilt. Verwaltung und PolitikerInnen [654] reagieren zunächst zurückhaltend und auch die Polizei hält sich völlig im Hintergrund. [655]
Ein damaligen Besetzer: “Nachdem das dann über die erste Nacht gegangen ist, war über Presse und so einiges an Mobilisierung gelaufen und das hatte eben sehr, sehr positive (...) Resonanz - auch in der Nachbarschaft - da wurde das natürlich immer schwerer, (...) zu räumen (...). In der Bevölkerung war das sehr gut angekommen, [656] weil die einfach auch alle sauer waren, daß das Haus da so vergammelt und leergestanden hatte .”[657] Und weiter: “[Es] war eigentlich relativ schnell klar, daß die einlenken würden, daß die keine Chance sahen, daß die das so räumen. Das war einfach nicht durchsetzbar .”[658] Die Besetzung wird in den nächsten Tagen “von Bilker Bürgern hilfreich in Wort und Tat unterstützt. (...) Nachbarn brachten Möbel und stellten ihre sanitären Anlagen für die Hausbesetzer zur Verfügung. Ein benachbarter Glaser setzte Scheiben ein. Diese überaus große Solidarität der Bevölkerung zwang die Stadt, uns das Haus zu überlassen und uns weitere Häuser zuzusagen .”[659]
Diese Zusage gibt die Stadt den BesetzerInnen jedoch erst nach längeren Verhandlungen. Die Stadt besteht allerdings darauf, daß die studentischen BesetzerInnen einen rechtsfähigen Verein gründen, mit dem weitere Vereinbarungen über die Übergabe städtischer Abbruchhäuser getroffen werden können. [660]
Für die Kronprinzenstr. 113 wird die Regelung getroffen, daß die BesetzerInnen keine Miete oder Pacht zahlen, dafür aber - in dem von Altmetallhändlern fast völlig ‘ausgeschlachteten’ Haus - alle Instandsetzungskosten [661] selbst tragen müssen. [662]

3.1.2 Gründung und Zweck der AWN

Am 11. Januar 1973 [663] wird - einige Zeit nach der erfolgreichen Besetzung der Kronprinzenstr. 113 - die ‘Aktion Wohnungsnot e.V.’ (AWN) gegründet. [664] “Es gab natürlich erst mal die Diskussion darüber, macht man das jetzt überhaupt, daß man das in einen organisatorischen Rahmen einbringt und dann mit der Stadt wirklich Verträge schließt - die ja sozusagen auch als Feind gesehen wurde - oder macht man das nicht? (...) Oder macht man eben jetzt hier einfach mit Hausbesetzungen weiter und läßt das Ganze unorganisiert weiterfahren und geht einfach mit einer Hausbesetzung nach der anderen durch die Stadt und versucht, das dann zu halten. (...) Die [Diskussion] ist dann aber relativ eindeutig in Richtung Verein und Verhandeln gelaufen und nachdem das dann auch geklappt hat, sah man sich natürlich auch in der Linie bestätigt, daß es also funktioniert .”[665]
Zweck des neugegründeten Vereins ist die “soziale Betreuung der Auszubildenden im Gesamthochschulbereich Düsseldorf durch Wahrnehmung von Aufgaben, die sich aus der Beschaffung von Wohnraum für die Auszubildenden ergeben .”[666] Folgende Kriterien müssen laut Satzung beim Einzug in ein AWN-Haus erfüllt werden [667]: “Bewerben können sich alle Mitglieder des Vereins, deren Hauptausbildungsort der Gesamthochschulbereich Düsseldorf ist und deren monatliches Einkommen weniger als 700 DM beträgt .”[668] Bewerbungen werden an den Vorstand gerichtet, die jeweiligen HausbewohnerInnen haben jedoch ein “Mitsprache- bzw. Vetorecht bei der Verteilung ”.[669] Der Mitgliedsbeitrag in der AWN beträgt 12 DM pro Jahr. [670] Die öffentlichen Sitzungen des AWN-Vorstandes finden zu dieser Zeit - immer in einem anderen AWN-Haus - einmal pro Woche statt.
In der Folgezeit werden der AWN durch das städtische Liegenschaftsamt Abbruchhäuser zur Nutzung überlassen. Die Vereinbarungen mit der Stadt sehen vor, daß die StudentInnen, SchülerInnen und Auszubildenden “mietfrei in zum Abbruch vorgesehenen Häusern der Stadt wohnen können, jedoch hätten sie sämtliche anfallenden Kosten selbst zu tragen (was einer Kostenmiete entspricht) sie sollten einjährige Nutzungsverträge mit vierteljährlicher Kündigungsfrist (...) und - wenn möglich - bei Abriss Ersatzwohnraum bekommen .”[671]
So gelingt es der AWN bis zum September 1974, mindestens 16 leerstehende, zum Abriß vorgesehene Häuser für mietfreies Wohnen nutzbar zu machen:

Unklar ist, wann genau die Häuser Buchenstr. 12 und 14 (Reisholz) hinzukamen.


3.1.3 Die Zusammenarbeit AWN - Stadt

Die ‘Zusammenarbeit’ mit der Stadt gestaltet sich nicht immer ganz unproblematisch. Im November 1973 überläßt die Stadt der AWN das Haus Himmelgeister Str. 284. Das Gebäude soll in absehbarer Zeit für eine Straßenerweiterung abgerissen werden. Noch bis zum Februar 1974 wohnen ‘alteingesessene’ MieterInnen - zusammen mit AWN-Mitgliedern - in dem Haus, danach wird es zwei Jahre lang ausschließlich von 10 StudentInnen und SchülerInnen bewohnt. 1975 teilt die Stadt der AWN mit, daß die geplante Straße nun doch einen anderen Verlauf nehme und das Haus somit nicht mehr auf der Abbruchliste stehe. Im November wird der AWN zum Februar 1976 gekündigt: Das Haus soll einer Erbengemeinschaft zum Kauf angeboten werden. Einsprüche der AWN weist die Stadt mit folgender Begründung bzw. Drohung zurück: Erstens sei man schließlich nicht verpflichtet, der AWN zu helfen und zweitens sehe man sich nicht mehr in der Lage, der AWN weiterhin Ersatzwohnraum zur Verfügung zu stellen, wenn diese nicht bereit sei, Kündigungen reibungslos zu schlucken. [673] Seit März 1976 findet sich das ehemalige AWN-Haus dann wieder in der Kartei über leerstehende Häuser und verfällt langsam. [674] “Das war von der Stadt aus so’n bißchen der Testlauf, was passiert denn, wenn wir die mal raussetzen. Wie wehren die sich? Ja, da wär’ es eigentlich an der Zeit gewesen, da mal wirklich die Zähne zu zeigen .”[675]
Bis zum Ende des Jahres 1974 hat die AWN an die 130 StudentInnen, SchülerInnen und Lehrlinge in zum Abbruch bestimmten Häusern untergebracht. [676] Die Zahl der AWN-Mitglieder wächst auf ungefähr 400 an. [677]

3.1.4 Die politischen Ziele

Die AWN versteht sich allerdings nicht nur als studentische ‘Wohnraumbeschaffungsstelle’, sondern auch als eine Gruppe, die kontinuierlich zu wohnungspolitischen Fragen arbeitet und teilweise antikapitalistische Ziele formuliert:

Forderungen an Stadt, Land und Bund sind (1) die Forcierung des sozialen Wohnungsbaus, (2) die Schaffung von genügend Wohnheimplätzen für Auszubildende, (3) eine “Stadtplanung im Interesse aller unter Mitbestimmung der Betroffenen [679], (4) die Unterbindung von Wohnraumzerstörung aus Profitinteresse und schließlich (5) die sofortige “Bereitstellung allen leerstehenden Wohnraums für Wohnungssuchende zu tragbaren Preisen ”.[680] Außerdem setzt die AWN sich “für ein neues, demokratisch kontrolliertes Bodenrecht, das die Spekulation mit Grundstücken unmöglich macht, [681] ein. Statt MaklerInnen soll “eine kommunale Wohnungsvermittlung im Interesse der Wohnungssuchenden und der sozialen Randgruppen [682] tätig werden.

3.1.5 Arbeit an den Hochschulen

Für diese Ziele werben AWN-AktivistInnen mit Flugblättern, Broschüren, Unterschriftenlisten und Informationsständen. Ein wichtiger Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit der AWN liegt an den Düsseldorfer Hochschulen. [683] Regelmäßig zu Beginn des Wintersemesters informiert die AWN StudienanfängerInnen über die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt: Nur für 10 Prozent aller Studierenden ständen Plätze in Wohnheimen des Studentenwerks zur Verfügung - die Wartelisten seien lang und die Preise für ein Zimmer mit “145 DM nicht gerade billig zu nennen ”.[684] Die meisten ErstsemesterInnen seien auf MaklerInnen angewiesen und über 59 Prozent aller Studierenden der Universität zahlten über 150 Mark für ihr Zimmer. Über 70 Häuser habe die AWN registriert, die in Düsseldorf z.T. schon seit längerer Zeit leerstünden. Die StudentInnen werden aufgefordert, Mitglied und MitarbeiterIn der AWN zu werden, um die “eigene Wohnsituation zu verbessern und gleichzeitig an der generellen Lösung dieses Problems mit [zu]arbeiten.”[685] Viele neue Leute werden gebraucht, um den politischen Forderungen des Vereins ein größeres Gewicht zu verleihen und von der Stadt weiterhin als Verhandlungspartnerin akzeptiert zu werden.

3.1.6 Besondere Beziehungen: AWN-Vorstand - Liegenschaftsamt

An dieser Stelle wollen wir die Zusammenarbeit zwischen AWN-Vorstand und der Stadt genauer betrachten. Viele Vereinbarungen werden vom Vorstand mit dem städtischen Liegenschaftsdezernenten Bolo Mayweg ‘unter vier Augen ausgedealt’. [696] Mayweg, so beschreibt es das damalige AWN-Vorstandsmitglied Willi Nodes heute, war zwar ein ‘Ur-Kapitalist’ aber dennoch ein ‘prima Kerl’, der ‘prinzipiell’ auf Seiten der AWN gestanden habe. [697] Er habe stets unter der Prämisse gehandelt: “‘Was interessieren mich soziale Reibungspunkte, ich will eine (...) ruhige Stadt haben, die sich entwickeln kann. Und dann sind mir bestimmte Dinge einfach egal .’”[698] Auf dieser Basis gelingt es der AWN immerhin, bis 1979/80 von der Stadt ca. 34 Häuser zu bekommen. Wird trotzdem mal ‘ein bißchen mehr Druck’ benötigt, bringt der AWN-Vorstand auch andere Argumente ins Spiel: “Sehen Sie mal, lieber Bolo Mayweg, da gibt es so viele unkontrollierbare junge Menschen, die Scheiben einwerfen können, die soviel Scheiße machen können, da müßt ihr uns einfach neue Wohnungen geben, um diesen Widerstand zu befrieden .”[699]
Die Diskussionen um die Aktivitäten der AWN bewegen sich ständig in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite besteht der Anspruch, nicht nur die private sondern auch die städtische Vernichtung von Wohnraum öffentlich zu machen bzw. durch Aktionen zu verhindern. Auf der anderen Seite will man die weitere Übergabe von Häusern durch das Liegenschaftsamt nicht gefährden. Die Kritik an der bislang vom Vorstand praktizierten Linie wird sowohl innerhalb als auch außerhalb der AWN immer größer.
Im Dezember 1976 beschwert sich der AWN-Vorstand in einem Brief an Oberbürgermeister Bungert (SPD) über die zum 16. Juli 1977 ausgesprochenen Kündigungen und den geplanten Abriß der AWN-Häuser Hünefeldstr. 3 und Böhmestr. 16. Es wird kritisiert, daß im Rahmen des ‘Bauvorhabens Nordring’ zuvor auch vier andere Häuser unbewohnbar gemacht bzw. abgerissen wurden, in denen noch bis zum endgültigen Beginn der Bauarbeiten Menschen hätten wohnen können. Argumentiert wird damit, daß mit dem Bauvorhaben aufgrund fehlender Landes- und Bundesmittel wahrscheinlich erst 1980 begonnen werden könne und die ‘Abbruchhäuser’ solange noch durch die AWN genutzt werden könnten. Die “bisher gute Zusammenarbeit mit der Stadt Düsseldorf [700] habe es der AWN ermöglicht , “jungen Menschen [701] kostenlosen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Betont wird hier vor allem die Mittlerrolle der AWN zwischen ‘jungen Menschen’ mit geringen Einkommen und der Stadt. Dies liege schließlich auch in Bungerts “Interesse als Oberbürgermeistert [702]. In seinem Antwortschreiben vom 05.01.1977 weist Bungert alle Vorwürfe bezüglich des verfrühten Abrisses der vier übrigen Häuser zurück. ‘Gönnerhaft’ stellt Bungert fest: “Ungeachtet der Tatsache, daß nicht die Stadt, sondern vielmehr das Land für die Schaffung von Studentenwohnungen zuständig ist, ist die Stadt bereit, der AWN weiterhin Objekte zur Verfügung zu stellen .”[703] Mit dieser Zusage wird jedoch gleichzeitig die Warnung ausgesprochen, daß dies “aber nur möglich [ist], wenn dadurch die Verwirklichung von Planungsmaßnahmen nicht behindert oder gar unmöglich gemacht wird. Es ist auch nicht möglich, daß mit Ihrem Verein über die Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit einer Maßnahme diskutiert wird .”[704] Diese Umgehensweise beschreibt die ‘Bürgerinitiative Nordring’ in einem Offenen Brief am 27. März 1977 als “Zuckerbrot und Peitsche [705] -Taktik. Die Initiative, in der auch BewohnerInnen von AWN-Häusern mitarbeiten, kritisiert den zurückhaltenden Umgang der AWN mit der Stadt: “Gleichzeitig fordern wir den Vorstand der AWN auf, seine Haltung gegenüber der Stadt bzw. dem Liegenschaftsamt zu überdenken, zeigt es sich doch, daß Zusicherungen und Zusagen, die von dieser Seite bei Verhandlungen gegeben wurden, oft genug nicht eingehalten werden [706]. Der Offene Brief schließt mit den Zeilen: “Wir sind hingegen der Meinung, daß mit der Wohnungsnot sozial Schwacher nicht taktiert werden darf - sondern konkret etwas getan werden muß. In diesem Zusammenhang bitten wir die AWN, offensiver vorzugehen .”[707]

3.1.7 Reaktivierungsversuche

Im Jahr 1977 wohnen in mittlerweile 24 AWN-Häusern 140 Menschen, von denen sich nur noch ein kleiner Teil für die wohnungspolitischen Ziele des Vereins engagiert. Die Mehrheit der BewohnerInnen ist in erster Linie Mitglied in der Aktion Wohnungsnot, um billig wohnen zu können. Auch ein Großteil der vereinsintern-organisatorischen Arbeit wird von relativ wenigen Menschen getragen. Der Vorstand erhält eine immer zentralere Bedeutung.
Es kommt zu dem Versuch des Vorstandes, [708] die BewohnerInnen der Häuser politisch zu (re-)aktivieren [709] sowie durch die Bildung von Stadtteilkommitees die Vorstandsarbeit zu dezentralisieren um besser in das politische Geschehen in den Stadtteilen eingreifen zu können. 1977/78 werden vier Stadtteilgruppen der AWN gebildet, und zwar in Reisholz, Gerresheim, Bilk und Lohausen (Flughafen). Ab 1979 kommt als weiterer ‘Stützpunkt’ die Theodorstraße hinzu, wo von der AWN in großem Umfang Wohnungen bezogen werden.
Die Strategie des Vereins sieht folgendermaßen aus:

  1. Basis für jede politische Arbeit und jeden Erfolg sind die Häuser der AWN.
  2. Die AWN muß größer und damit immer mehr zu einem politischen Faktor in der Stadt werden. Deshalb muß die AWN auch versuchen, mehr Häuser von der Stadt zu bekommen.
  3. Da die der AWN zur Verfügung gestellten Abbruchhäuser meist in Planungsgebieten [710] stehen, muß im Stadtteil der Kontakt zu betroffenen BürgerInnen gesucht werden. In bereits bestehenden BürgerInneninitiativen soll mitgearbeitet werden. Falls eine solche Initiative noch nicht existiert, soll sie von AWN-Häusern und vor allem den Stadtteilgruppen mitangeschoben werden.
  4. Für die weitere Arbeit ist auch die Aneignung planerischer und juristischer Kompetenz notwendig. [711]
  5. Mit Hilfe der erworbenen Kompetenz sollen Alternativplanungen erarbeitet werden. Zusammen mit der jeweiligen BürgerInneninitiative soll dann Druck auf die Stadt ausgeübt werden.
  6. Um den Druck weiter zu erhöhen, ist die permanente, ‘penetrante’ Präsenz in der Öffentlichkeit notwendig, und zwar sowohl über eigene Publikationen wie auch über die Medien. [712]

Im Vordergrund dieser Strategie steht dabei erklärtermaßen nicht der Kampf um jedes einzelne AWN-Haus. Die “Strategie war, daß wir - ähnlich wie Greenpeace - damals schon einen symbolischen Aktionszugang hatten. Für uns war das leerstehende Haus ein Symbol für Wohnungsnot. (...) Der Kampf um das AWN-Haus war für uns nie Ziel, sondern immer nur Mittel für etwas anderes .”[713]

3.1.8 Stadtteilarbeit

Die AWN konzentriert sich zunächst auf die Stadtteilarbeit in Bilk, wo sich zunehmender Protest der Bevölkerung gegen den STEP-U regt. Ein erster Schritt ist die Veröffentlichung eines Schwarzbuchs “über Bodenspekulation und Wohnraumzerstörung [714], das im April 1977 erscheint. In der 66 Seiten starken Broschüre erfolgt neben einer Information über den Verein AWN die Dokumentation von 65 zu diesem Zeitpunkt leerstehende Häuser in Düsseldorf - zum Teil mit Photo, Angaben über EigentümerIn und Dauer des Leerstands etc.. Anhand einiger Fallbeispiele - etwa an der Kaiserswerther- oder der Konkordiastraße - wird die Praxis von SpekulantInnentum und Wohnraumvernichtung genauer untersucht. Mit Hilfe des vorgelegten Schwarzbuches will die AWN “d ieses Material (...) möglichst vollständig an die Öffentlichkeit bringen .”[715]
In der Folgezeit ist die AWN maßgeblich an der Gründung der BürgerInnen-initiative ‘Rettet Bilk’ beteiligt. Die sehr erfolgreiche Aufbauarbeit der AWN in Bilk wird von uns im Kapitel 3.2 (Die BürgerInneninitiative ‘Rettet Bilk’) genauer beschrieben.
Eine zweite (relativ) erfolgreiche AWN-Stadtteilgruppe arbeitet im Düsseldorfer Norden. Hier hat sich im Juni 1977 die BürgerInneninitiative “Stop dem Abriss! [716] gebildet, die gegen die Zerstörung von Wohnhäusern in Lohausen protestiert. [717] Die Flughafen GmbH hat dort zur Erweiterung des Flughafens 191 Häuser aufgekauft. Da etliche Lohauser BürgerInnen Klage gegen den Bau einer zweiten Start- und Landebahn bei den Gerichten eingereicht haben, kann mit einer “Gerichtsentscheidung in frühestens 8 - 10 Jahren [718] gerechnet werden. Solange, argumentiert die AWN, könnten die zum großen Teil schon leeren Abbruchhäuser ihr und ‘sozial schwachen Familien’ zur Verfügung gestellt werden. Die Flughafengesellschaft reagiert auf das Ansinnen mit einem deutlichen ‘Nein’. Sechs Häuser hat sie bereits abreißen lassen. Alle übrigen sollen in den nächsten Jahren folgen. Wegen der angeblich zu hohen Lärmbelastung [719] soll dort ein ‘Grüngürtel’ entstehen - statt Wohnraum für 1.000 Menschen [720]. Einige der bereits geräumten Häuser werden von AWN-Mitgliedern kurzzeitig besetzt: “ Und die Leute, die dort testweise eingezogen sind, auch besetzenderweise, haben nach drei Tagen liebend gern die jeweiligen Häuser verlassen, weil ihnen einfach die Ohren abgefallen sind. Es war zu laut. Das wäre noch der Kampf gegen den Flughafen insgesamt gewesen, und da es die Bürgerinitiative dort gab, die gegen den Flughafen gekämpft hat, haben wir die natürlich prächtig einfach mit Manpower unterstützt und denen Mut gemacht .”[721]

3.1.9 Besetzung von Privathäusern

AWN-intern wird immer wieder auch über die Besetzung von Privathäusern diskutiert. Bis auf eine Ausnahme wird es jedoch bis zur Besetzung der Kronprinzenstr. 90 im Jahre 1979 keine weiteren Aktionen dieser Art mehr geben. [722] Diese Ausnahme betrifft das seit zwei Jahren leerstehende Haus Neusser Tor 4 in Gerresheim, das von der Stadt in Erbpacht an einen Privatbesitzer abgegeben wurde. [723] Offensichtlich wird das Haus zu Spekulationszwecken leerstehen gelassen und so unbewohnbar gemacht. Deshalb wird es im Dezember 1975 von AWN-Mitgliedern im Rahmen einer symbolischen Aktion besetzt. Ein Beteiligter erinnert sich: “Es war eigentlich von vorneherein nicht angelegt darauf, das Ganze zu verteidigen, sondern war schon mehr als Demonstration gemeint. Das war schon als Hausbesetzung gedacht. Das war nur von vorneherein eben klar, weil das relativ groß war, das nicht gehalten werden konnte. Da hätte man also mindestens auf der Stelle 30, 40, 50 Leute haben müssen, die da einziehen und sozusagen instandbesetzen, und die waren damals einfach nicht so verfügbar. Und deswegen (...) hat man von vorneherein das mehr auf die politische Ebene... das mehr als Demonstration verstanden. Obwohl, das hätte auch klappen können .”[724]



3.1.10 Die Theodor- und die Kiefernstraße

Ab Ende 1979 werden etliche Wohnungen in Häusern auf der Theodorstraße in Rath von Wohnungssuchenden bezogen. Einige der Wohnungen dienen als Ersatz für die mittlerweile abgerissenen AWN-Häuser in Lohausen. Neben den von der Stadt zur Verfügung gestellten Wohneinheiten werden andere ‘schleichend’ besetzt. Diese Besetzungen werden schließlich in Verhandlungen der AWN mit der Stadt im nachhinein legalisiert. [725] Im Kapitel über die achtziger Jahre werden wir näher auf die Geschichte des späteren Selbstverwalteteten Wohnprojekts Theodorstraße (SWT) eingehen. Gleichzeitig bietet die Stadt der AWN leere Wohnungen auf der Kiefernstraße in Flingern an. Der AWN-Vorstand lehnt diese jedoch mit Hinweis auf den schlechten Zustand der Wohnungen ab. [726] “Und wir wollten - und das war der wahre Grund - (...) wiederum den Druck nicht wegnehmen [und] die Wohnungsnot soweit befrieden, daß wir überall irgendwelche Alternativhütten haben, und überall Leute anfangen, Rauhfasertapeten zu kleben. Sondern wir wollten ein Stück begleitender Bewegung, die nicht unsere war, haben. (...) Die Theodorstraße reicht nicht für alle, wenn wir jetzt alles öffnen, nehmen wir den ganzen Druck von der Straße weg .”[727]

3.1.11 Hausbesetzungen 1979 ff

In den Jahren 1979/80 werden weitere Häuser besetzt, woran AWN-Mitglieder einen nicht unerheblichen Anteil haben. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die Besetzung des Hauses Kronprinzenstr. 90 im Dezember 1979 und des Lichtenbroicher Wegs 137 im Juni 1980.
Im bislang relativ ‘ruhigen’ Düsseldorf kommt es allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 1981 - auch unter dem Eindruck der eskalierenden Häuserkämpfe in Amsterdam, Zürich und West-Berlin - zu 14 Hausbesetzungen. [728] Eine zentrale Rolle spielt dabei das heftig umkämpfte Haus Volmerswerther Str. 41 (V 41). Das als ‘autonomes Stadtteilzentrum’ geforderte Privathaus wird nach der ersten Räumung durch die Polizei gleich wieder besetzt. Räumungen von bzw. Räumungsdrohungen gegen besetzte Häuser werden von der BesetzerInnen-Szene und deren SympathisantInnen mit massiven Angriffen auf Banken, Versicherungen, Luxusgeschäfte, städtische Ämter und sogar Polizeidienststellen beantwortet.

3.1.12 Kritik an der ‘alten’ AWN

In dieser Situation werden auch die Auseinandersetzungen zwischen den beiden ‘Flügeln’ der AWN (vereinfacht dargestellt: Spontis contra MSBler) heftiger. [729] Die Spontis kritisieren die bisherige Arbeit und Funktion der AWN. Vor allem die ‘bewährte’ Zusammenarbeit zwischen der Stadt, vertreten durch den Liegenschaftsdezernenten Bolo Mayweg, und der AWN, vertreten durch ihren Vorstand, wird scharf angegriffen. “In der Praxis sah das dann so aus: Das städtische Liegenschaftsamt kauft Häuser auf, um sie ‘umzulegen’ (abreißen), ‘entmietet sie’ (schmeißt die Mieter raus), setzt die AWN rein .”[730] Das Haus stünde in der Übergangszeit nicht leer und die Stadt könne sich damit brüsten ‘etwas für die armen StudentInnen’ zu tun. Wenn die Planungen der Stadt dann abgeschlossen seien, würde das Haus schließlich abgerissen und die AWN-Mitglieder zögen ohne großen Widerstand in das nächste Haus. Auch die mangelnde Solidarität der AWN mit den alten, zuvor vertriebenen MieterInnen der Abbruchhäuser wird beklagt : “Wie viele Mieter auf diese Art und Weise aus ihren Wohnungen vertrieben wurden, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Unterstützt wurden sie von Seiten der AWN so gut wie nie .”[731] In der ‘Sägespan’-Ausgabe Nr. 10 vom April 1981 wird unter der Überschrift “Modell AWN für die ganze BRD? Bloss das nicht!! [732] die Kritik an der AWN auf den Punkt (bzw. auf drei Punkte) gebracht:

  1. Die AWN sei in Wirklichkeit ein alternatives Wohnraumvermittlungsinstitut, “ein Wohnraumdealer [733]. Während die Stadt weiter zerstört, Glas- und Betonpaläste gebaut und Menschen vertrieben würden, sitze der “überwiegende Teil der AWNler(innen) dumpf und stumm in seiner Kammer und kriegt den Arsch nicht hoch. Wozu auch, man/frau hat ja ein Dach über dem Kopf, und wenn die Bude von der Stadt gekündigt wird, sorgt der Vorstand schon dafür, daß Ersatz kommt .”[734]
  2. Die Funktion des Modells AWN sei, daß bei etlichen Menschen das Bedürfnis nach Wohnraum zumindest ‘scheinbefriedigt’ werde und so Protest oder gar Widerstand gar nicht erst aufkomme. Und mit der Vergabe von Zimmern seien zwar die grundlegenden Probleme und Mißstände nicht gelöst, aber zumindest verdeckt.
  3. Die Stadt Düsseldorf habe mittels der für ihre Zwecke instrumentalisierten AWN “schon seit Jahren den Kampf gegen die Sanierungspolitik und Stadtzerstörung unterdrücken und integrieren können .”[735]

Eine weitere Auswirkung des ‘Modells - AWN’ wird angesprochen, nämlich die auf die Diskussionen innerhalb der HausbesetzerInnenbewegung: “ Noch haariger wird die ganze Sache, wenn die Häuserkämpfer(innen) und Instandbesetzer(innen) auch schon selbst auf das Modell AWN abfahren, und glauben, damit die Lösung gefunden zu haben. Die Frage, die sich da einfach aufdrängt, ist - was wollen wir eigentlich??? [736]

3.1.13 Umstrukturierung und Ende der AWN

Im September 1981 erhält die AWN einen neuen Vorstand. Das ‘sozialintegrative’ Modell AWN - in vielen anderen Städten als ‘Medizin’ gegen unkontrollierbare Häuserkampfbewegungen gepriesen - wird in seiner bisherigen Form, inklusive Vorstand, abgeschafft [737]. “Als die Häuserkampfbewegung wuchs, kam für die Stadt die Zeit, mit der AWN zu protzen: seht hier, bei uns brauchts keine Besetzer! Die AWN im Fernsehen [738], in den Medien, Radio Luxemburg rief an und in anderen Städten wurde das ‘Modell Düsseldorf’ wärmstens empfohlen .”[739] Eine radikale Umstrukturierung wird beschlossen. Man will weg von den hierarchischen Vereinsstrukturen mit allmächtigem Vorstand, der alles ‘managed’, auf der einen und einer weitgehend untätigen Masse von Mitgliedern auf der anderen Seite. Die meisten AWN-Mitglieder, so wird argumentiert, “sitzen in ihren Buden [und] freuen sich ihres billigen Zimmers (...). Allenfalls 5 bis 8 % sind für den Verein aktiv: machen den Verwaltungskram (oder auch nicht), rennen zu den Ämtern, organisieren Versammlungen und Diskussionen .”[740] Deshalb wird beschlossen, daß die BewohnerIn-nen der Häuser sich künftig selbst vertreten sollen bzw. sich nach Stadtteilen organisieren. [741] Es wird ein Koordinierungsausschuß - oder auch ‘Häuserrat’ - gebildet, in dem sich die VertreterInnen der einzelnen Häuser/Stadtteile treffen. Schließlich wird verkündet, daß sich die AWN mit allen HausbesetzerInnen in Düsseldorf und anderswo solidarisiert und “in Zukunft auch wieder zum Mittel der Hausbesetzungen greifen [wird] , um Forderungen durchzusetzen .”[742]
Auf der Kiefernstraße in Flingern werden 1981 ca. 60 der über 100 dort leerstehenden Wohnungen besetzt. Nach Verhandlungen mit der Stadt werden diese Wohnungen - zum letzten Mal - der AWN zur Nutzung übergeben. Ungefähr 40 Wohnungen bleiben leer, 16 davon werden im September 1981 besetzt. Die AWN solidarisiert sich mit den BesetzerInnen und bekommt von der Stadt ein Ultimatum gestellt: lediglich 10 der 16 besetzten Wohnungen könnten an die AWN übergeben werden, die anderen sechs sollten unverzüglich freigemacht werden, sonst würde die Stadt Strafantrag stellen. Der ‘neue’ AWN-Vorstand ignoriert das Ultimatum. Zwar macht die Stadt ihre Drohung von der gewaltsamen Räumung der Wohnungen nicht wahr, aber die Übergabe von Abbruchhäusern findet von da an nicht mehr statt. Im September 1981 kommt so zum Ende der Zusammenarbeit zwischen Stadt und AWN. [743]
Ende 1982 berichten zwei Bewohner alter AWN-Häuser über den bevorstehenden Abriß der AWN-Häuser Kölner Landstr. 105 und 115. “Anders als in der Vergangenheit weigert sich nun die Stadt, der AWN Ersatzwohnraum zur Verfügung zu stellen - sie läßt vielmehr durch Herrn Gassel mitteilen, daß mit der AWN keinerlei Gespräche und Verhandlungen mehr geführt werden sollen. Lediglich betroffenen ‘Einzelpersonen’, die sich ans Liegenschaftsamt wenden, wird Wohnraum in Abbruchobjekten zur Miete [!; d.V.] angeboten.”[744]

3.1.14 Die ‘ErbInnen’ der AWN

1983 sind nicht nur alle 10 nichtstädtischen besetzten Häuser geräumt und etliche BesetzerInnen verurteilt - auch die AWN ist politisch tot [745]. Eine Zeitlang trifft sich der ‘Häuserrat’ noch, dann konzentrieren sich die übriggebliebenen Häuser auf ihre eigenen Probleme, gründen neue Vereine oder bleiben, wie Teile der Kiefernstraße, zunächst auf Konfliktkurs mit der Stadt.
Die ‘Überbleibsel’ von AWN und Häuserkampfbewegung in Düsseldorf sind

Aus einzelnen AWN-Häusern gehen später, nach der de facto (nie formellen) Auflösung der NAWN, die Vereine AWAL (Anders Wohnen Am Landtag = Neusser Str. 65) [746] und ASS (Anders Sozial und Selbstbestimmt = Buchenstr. 14) hervor.


[641] Vgl. Gespräch mit K. Stein, 11.10.95.
[642] Auch im Archiv der Rheinischen Post, das zu dieser Zeit noch nicht systematisch geführt wurde, fanden sich keine genaueren Hinweise.
[643] RP, 31.12.68.
[644] RP, 30.9.70.
[645] Vgl. NRZ, 26.1.71.
[646] Nur ein Jahr später suchen bereits ca. 1.000 StudentInnen in Düsseldorf eine Wohnung, ein großer Teil von ihnen muß “in Autos, in der Jugendherberge Oberkassel oder in anderen Notbehausungen bleiben” , RP, 10.5.72.
[647] NRZ, 26.1.71.
[648] Ebenda.
[649] Vgl. NRZ, 10.5.72.
[650] “Man muß ja eine Infrastruktur haben, man muß ja die Leute zusammentrommeln, Räume haben, man muß Flugblätter drucken können und all diese Dinge (...), damit so was auch einen Erfolg hat. (...) Und diese ganze Planung ist letztendlich über die (...) Asten gegangen”. - Interview mit P. Müller, 21.9.95.
[651] SDAJ = Sozialistische Deutsche Arbeiter Jugend, formell unabhängige, sozialistische Jugendorganisation, faktisch jedoch Jugensorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), wie diese seit 1989/90 praktisch bedeutungslos.
[652] Jusos = JungsozialistInnen in der SPD, Jugendorganisation der SozialdemokratInnen, gibt sich manchmal etwas progressiver und kämpferischer als die Mutterorganisation.
[653] Vgl. Schwarzbuch, 1977, S. 15 ff.
[654] Im Düsseldorfer Rat regiert zu diesem Zeitpunkt die SPD.
[655] Vgl. RP, 10.5.72.
[656] Auch der Vorsitzende des StudentInnenwerks, Helmut Weber, erklärt, mit dieser Besetzung “werde für alle Verantwortlichen und Politiker die Alarmstufe 1 signalisiert.” Und das ‘Gesamtparlament’ der FH stellt fest, daß es “sich um eine symbolische Handlung im Namen aller Wohnungssuchenden” handele, RP, 10.5.72.
[657] Interview mit P. Müller, 21.9.95.
[658] Ebenda, 21.9.95.
[659] AWN-Flugblatt ‘5 Jahre Hausbesetzung...’, 5/77.
[660] Vgl. Interview mit P. Müller, 21.9.95.
[661] Von 1972 bis 1977 immerhin runde 10.000, vgl. Schwarzbuch, 1977, S. 15 ff.
[662] Vgl. Interview mit P. Müller, 21.9.95.
[663] Dies ist das Datum der Gründungsversammlung des Vereins, zu der der AStA der Universität einlädt. Die erste Satzung der ‘AWN e.V.’ datiert vom 15. Februar 1973, vgl. AWN-Satzung, 1973.
[664] “Insbesondere (...) nach der Hausbesetzung war der AStA Kunstakademie und der AStA Uni bei der Entwicklung AWN, Satzung usw. in dem ganzen organisatorischen Rahmen mitbeteiligt”, Interview mit P. Müller, 21.9.95.
[665] Ebenda, 21.9.95.
[666] AWN-Satzung, 15.2.73, S. 2.
[667] vgl. ebenda, S.2.
[668] AWN-Einladung, 9/74.
[669] Ebenda.
[670] Im Jahre 1980/81 beträgt der Jahresmitgliedsbeitrag in der AWN immer noch 12 DM und auch die Einkommensgrenze liegt unverändert bei 700 DM!, vgl. Schwarzbuch, 1981, S. 53.
[671] Ebenda, S. 51 ff.
[672] Quellen sind: Diverse Flugblätter sowie Angaben von P. Müller am 21.9.95.
[673] Vgl. Schwarzbuch, 1977, S. 16.
[674] vgl. ebenda, S. 16.
[675] Interview mit P. Müller, 21.9.95.
[676] Vgl. AWN-Flugblatt ‘Wer ist...?’, vermutl. 9 oder 10/74.
[677] Mitglieder sind neben den HausbewohnerInnen auch diejenigen, die auf einen frei werdenden Platz warten und Fördermitglieder bzw. Menschen, die das Projekt primär politisch unterstützen wollen.
[678] AWN-Flugblatt, “Wer ist...?”, vermutl. Sept./Okt. 1974.
[679] Ebenda.
[680] Ebenda.
[681] AWN-Flugblatt ‘Durchschnittsmiete für...’, vermutl. Ende 74/Anf. 75.
[682] Ebenda.
[683] So zeigt die AWN im Mai 1977 im Rahmen der “Demokratischen Gegenuniversität ” den Film ‘Der lange Jammer’, der von erfolgreiche Protesten Berliner MieterInnen gegen überzogene Mieterhöhungen der Wohnungsbaugesellschaft handelt. Außerdem wird über das Projekt AWN informiert. Am Fachbereich Sozialwesen der FH Düsseldorf beginnt wenige Tage später, ebenfalls im Mai 1977, das Projektseminar “Untersuchung der Wohnungsnot in Düsseldorf, Möglichkeiten der Gegenwehr ”. Bei der Einführungsveranstaltung wird nach einem Referat von Rechtsanwalt Volker Götz der Film ‘Die Besetzung’ gezeigt, vgl. AWN-Flugblatt ‘Informationen über die...’, 5/77, S. 2.
[684] AWN-Flugblatt, ‘An alle Erstsemester...’, 10/76.
[685] Ebenda.
[686] AWN-Flugblatt, ‘Wer ist...?’, vermutl. Sept./Okt. 1974.
[687] AWN-Flugblatt ‘Kommune?’, 5/76.
[688] Ebenda.
[689] Ebenda.
[690] Vgl. Schwarzbuch, 1977, S. 20.
[691] Vgl. AWN-Flugblatt ‘5 Jahre Hausbesetzung’, 4/77.
[692] Vgl. Flugblatt und Brief ‘Liebe Bilker Bürger’, 4/77.
[693] AWN-Flugblatt ‘Liebe Düsseldorfer Bürger!’, 4/77.
[694] Vgl. AWN-Flugblatt ‘Stop dem Abriss!’, 6/77.
[695] Interview mit W. Nodes, 4.9.95, S. 6 ff.
[696] “Wir haben oft Sachen mit ihm ausgedealt, das war unglaublich, unglaublich gewesen”, ebenda, S. 9.
[697] Vgl. Ebenda, S. 9.
[698] “(...) damit haben wir gespielt. Das war ein berechenbarer Mensch ”, ebenda, S. 9.
[699] Ebenda, S. 7.
[700] Offener Brief der AWN an den Oberbürgermeister, 12/76, in: Schwarzbuch, 1977, S.17 ff.
[701] Ebenda, S.17 ff.
[702] Ebenda, S.17 ff. - Könnte mensch das nicht auch so ausdrücken: ‘Liebe Stadt, wir nehmen Euch eine soziale Aufgabe ab, für die eigentlich die Öffentliche Hand zuständig wäre, also haltet wenigstens die verabredeten Spielregeln ein und reißt die Häuser erst ab, wenn es unbedingt nötig ist.’?
[703] Schwarzbuch, 1977, S. 20.
[704] Ebenda, S. 20.
[705] Ebenda, S. 25.
[706] Ebenda, S. 24.
[707] Ebenda, S. 25.
[708] “In diesem Vorstand der AWN waren dann der Reinhold Knopp als Vorsitzender, Hiltrud Horn und irgendeine Regina, das waren alles drei DKPisten oder MSBler, ich auf dem SHB-Ticket, und der Achim Willms als Integrationskandidat.” - Interview mit W. Nodes, 4.9.95, S. 3.
[709] Ein Ziel dabei war die Konsolidierung “der Häuser, indem man die Verantwortung in die Häuser zurückgibt und (...) die Leute zur politischen Aktivität verpflichtet.” Dies sollte unter anderem durch die Ableistung von Arbeitsstunden für die AWN - im Gespräch waren 10 Stunden pro Monat und BewohnerIn - verwirklicht werden. Als Sanktion bei ‘Arbeitsverweigerung’ war die Zahlung von 100 DM/Monat als ‘Ersatzmiete’ vorgesehen. Damit sollte auch der bei steigender Häuserzahl und politischer Aktivität wachsende Verwaltungs- und Materialaufwand (zum Beispiel für Veröffentlichungen) finanziert werden. “Das war unser Traum. Das hat natürlich nie (...) funktioniert. Aber wir haben einfach eine Situation des moralischen Drucks aufgebaut: Ihr blöden Studenten dürft da umsonst wohnen und kriegt alles für lau und tut nichts - und das geht so nicht weiter. Das war unser Vorstandsprogramm”, ebenda .
[710] “Überall, wo wir die Abbruchhäuser hatten, (...) waren [wir] immer im Brennpunkt kommunaler Planung, gab es Aktionsmöglichkeiten. Ja, der Vertrag war schlichtweg genial für uns” ebenda.
[711] “Wir hatten Forderungen, (...) bestimmte Planungen zu stoppen. Wir waren die Ersten, die Erhaltungssatzungen in Düsseldorf gefordert hatten. Wir waren die Ersten, die juristische Gutachten beigebracht haben, daß es möglich ist, im Rahmen von Zweckentfremdung zwangszuvermieten, usw. usf” , ebenda, S. 5.
[712] Ebenda, S. 3 ff.
[713] Ebenda, S. 4 ff.
[714] Schwarzbuch, 1977, Titelseite.
[715] Ebenda, S. 5.
[716] AWN-Flugblatt ‘Stop dem Abriss!’, 6/77.
[717] Vgl. Kap. C. II 2.7.2 (Der Flughafen Düsseldorf).
[718] AWN-Flugblatt ‘Stop dem Abriss!’, 6/77.
[719] Genau aus diesem Grund klagen zur gleichen Zeit unzählige BürgerInnen gegen eben jene Flughafen-Gesellschaft...
[720] Vgl. Flugblatt der BürgerInneninitiative, ‘Stop dem Abriss!’, 7/77.
[721] Interview mit W. Nodes, 4.9.95, S. 6.
[722] Was dann allerdings diskutiert wurde und wo immer wieder Ansätze gemacht wurden, aber keiner so richtig geschafft hat, daß auch zu machen, war: Wir sind ja über den Verein immer nur an die Stadt rangekommen. Wir haben ja dann damals - das läßt sich ja in den Schwarzbüchern nachlesen - eine Liste mit über 100 leerstehenden Objekten gehabt und davon waren ja nur ein Zehntel oder... ein kleinerer Teil jedenfalls, im städtischen oder öffentlichen Besitz. Der größte Teil war ja von Privatleuten. Und die Diskussion war immer: wie kommen wir denn an die ran. Und da war schon immer wieder in der Diskussion, wir müssen jetzt mal irgendwie da was machen und eine neue Hausbesetzung stand da natürlich auch zur Debatte, aber es ist nie soweit gekommen ”, Interview mit P. Müller, 21.9.95. - In einem Brief vom 6.4.1977 fordert die AWN die Verwalter der Privathäuser Dianastr. 19, 23, 25 und 27 (Bilk) auf, diese bis zum endgültigen Abriß in eineinhalb bis zwei Jahren dem Verein zur Nutzung zu überlassen. Das Vorhaben scheitert aber. - vgl. Flugblatt und Brief ‘Liebe Bilker Bürger’, 4/77.
[723] In einem Flugblatt wird erklärt, daß die AWN sich “gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums zumal, wenn es sich um Grund und Boden oder Häuser handelt ” wende. Denn: “Das Bedürfnis nach Wohnraum ist ein Grundbedürfnis des Menschen .” Wohnungspreise und Mieten sollten nicht “nach dem Prinzip der höchstmöglichen Gewinne ”, sondern nach der Sozialverträglichlkeit für die MieterInnen festgelegt werden, vgl. AWN-Flugblatt ‘Gerresheimer Bürger!’, 12/75.
[724] Interview mit P. Müller, 21.9.95.
[725] Vgl. Interview mit W. Nodes, 4.9.95, S. 6 & 9.
[726] Von der Stadt wird eine Instandsetzungsgarantie und eine soziale Begleitplanung gefordert. Dies geschieht vor dem Hintergrund, daß die AWN den geplanten Abriß der Häuser ‘nicht einsieht’, vgl. ebenda.
[727] Ebenda.
[728] Vgl. Kap. C. III. 1.4.
[729] Der AWN-Vorstand ist übrigens von 1972-80 fast durchgehend in den Händen von MSB, DKP und anderen ‘gewerkschaftlich orientierten Kräften’ wie dem SHB. Eine Ausnahme bildet unseres Wissens nur die kurze ‘Sponti-Machtergreifung’ 1976, die allerdings nach einem halben Jahr wieder beendet werden wird, vgl. Interview mit W. Nodes, 4.9.95 sowie Kaspar Michels, 6.9.95.
[730] Schwarzbuch, 1981, S. 52.
[731] Ebenda, S. 53.
[732] Sägespan, Nr. 10, April 1981, S. 21.
[733] Ebenda, S. 21 - Diese These wird auch durch Selbstdarstellungen der AWN gestützt. In einem LeserInnen-Brief der AWN an die NRZ vom 16.04.1977 ist beispielsweise nachzulesen: “Die Aktion Wohnungsnot e.V. hat stets herausgestellt, daß sie die Haltung der Stadt Düsseldorf, leerstehenden Wohnraum über die AWN e.V. an Auszubildende zu vergeben, sehr positiv bewertet - gibt es doch dieses nachahmenswerte Verfahren in kaum einer anderen Stadt. Angesichts dieser Tatsache mag die von uns geäußerte Kritik am Fehlverhalten der Stadt, wie vorzeitige Wohnraumzerstörung und mangelndes Engagement bei der Sicherstellung freigemachter Häuser bzw. deren Übergabe an unseren Verein, kleinlich wirken. Wir halten diese Kritik dennoch für notwendig und zwar im Interesse jedes sich in Wohnungsnot befindenden Düsseldorfer Auszubildenden. Schließlich stellt jedes Zimmer, das von unserem Verein genutzt wird, eine konkrete Hilfsmaßnahme dar - jedes ungenutzte Zimmer, gleich aus welchem Grund, eine unterlassene Hilfsmaßnahme.” Schwarzbuch, 1977, S. 30.
[734] Sägespan, Nr. 10, April 1981, S. 21.
[735] Ebenda, S. 21 ff.
[736] Ebenda, S. 22.
[737] Vgl. Fandango e.V., Stadtbuch Düsseldorf 1988, S. 64 ff.
[738] Beispielsweise sendet der WDR am 9. Dezember 1977 in der Serie ‘Schauplatz’ einen Film über das zu diesem Zeitpunkt bundesweit einmalige Projekt AWN. - vgl. AWN-Flugblatt ‘Freitag 9.12.’, 12/77.
[739] Schwarzbuch, 1981, S. 53.
[740] Ebenda, S. 53.
[741] Das Konzept der verstärkten Stadtteil-Orientierung war vom AWN-Vorstand bereits 1977 vorgeschlagen und ansatzweise - in Bilk und Lohausen - umgesetzt worden. Allerdings scheint die angestrebte Dezentralisierung der Verwaltungsaufgaben und politischen Aktivitäten nur zum Teil funktioniert zu haben.
[742] Schwarzbuch, 1981, S. 53.
[743] Vgl. Nagel, T., Die Häuser gehören uns, S. 132 ff.
[744] Starkes Stück, 1/83.
[745] Vgl. Fandango e.V., Stadtbuch Düsseldorf 1988, S. 67.
[746] Das Haus Neusser Str. 65, eines der ersten AWN-Häuser, wird im November 1992 von der Stadt Düsseldorf abgerissen. Es stand einer Straßenverbreiterung im Zusammenhang mit dem Bau des Rheinufertunnels im Weg.


Zur nächsten Seite

Zurück zum Inhaltsverzeichnis